Wie entstehen Schmerzen nach Liebscher & Bracht?
Der Mensch hat von Geburt an und von Natur aus eine 100 prozentige Beweglichkeit in allen Gelenken (genetische Defekte ausgenommen).
In der heutigen Zeit nutzen die meisten Menschen im Alltag nur etwa 10 Prozent dieser Beweglichkeit. Das liegt vor allem daran, dass moderne Lebens- und Arbeitswelten stark durch sitzende oder einseitig belastende, routinierte Tätigkeiten geprägt sind.
Im Gehirn werden diese minimalistischen, wiederkehrenden Bewegungsmuster abgespeichert. Eigentlich eine gute Sache, denn durch die Speicherung dieser Hirnprogramme können häufig genutzte Bewegungsabläufe im Alltag schnell und präzise umgesetzt werden. Nur schlecht, wenn diese Bewegungen sehr eintönig und kurz sind.
Ein gesunder Mensch besitzt 656 Muskeln, die von Faszien – den Weichteil-Komponenten des Bindegewebes – umhüllt sind. Immer wenn sich ein Gelenk bewegt, ziehen sich Muskelstränge und die umliegenden Faszien zusammen (Spieler / Agonist), während andere nachgeben und gedehnt werden (Gegenspieler /Antagonist). Wenn wir aber nur die oben genannten 10 Prozent der Bewegungen nutzen, werden die Muskeln und Faszien nicht mehr regelmäßig in vollem Umfang gedehnt und mit der Zeit immer unnachgiebiger. Man spricht im Volksmund von der „Verkürzung“.
Zum Beispiel sind beim Sitzen die Muskeln und Faszien im vorderen Körperbereich durch die angewinkelten Beine und der nach vorne gebeugten Wirbelsäule nicht gestreckt, so wie sie in unserer natürlichen Haltung im Stehen sein sollten. Sie werden immer unnachgiebiger und wenn wir uns dann hinstellen können sie nicht mehr in ihre optimale Streckung zurückkehren.
Diese „Verkürzung“ verursacht eine entsprechende Zugkraft nach vorne, da die nötige Streckung fehlt. Um sich dennoch in eine aufrechte Haltung zu bringen, versucht der Rücken die zu hohe vordere Spannung mit einer über das Maß hinausgehende Gegenspannung auszugleichen.
Eine verkürzte Spannung mit reiner muskulären Gegenspannung zu lösen ist nicht so einfach. Aufgrund dessen herrscht sowohl im vorderen als auch im hinteren Körperbereich eine Zugkraft durch die überhöhte muskulär-fasziale Spannung, welche die Gelenkflächen und Wirbelkörper so stark aufeinanderpresst, dass Verschleiß an Knorpel, Bandscheiben und Knochen entsteht.
In der Knochenhaut sitzen Rezeptoren, die diese unglaubliche Spannung und den eventuellen Verschleiß registrieren und die Bedrohung der Struktur an das Gehirn weiterleiten. Besteht eine Bedrohung für unsere Struktur, projiziert das Gehirn einen Schmerz in den entsprechenden Körperbereich und macht den Betroffenen auf diese Weise auf die Bedrohung der Struktur aufmerksam – der Schmerz alarmiert ihn sozusagen. Liebscher & Bracht bezeichnet diesen Schmerz daher als „Alarmschmerz“.
Der Körper signalisiert uns, nicht so weiterzumachen wie bisher, um den Verschleiß zu stoppen!
Mit Schmerzmittel unterdrückt man den Schmerz, aber das Problem ist noch vorhanden und der Verschleiß nimmt zu, bis es irgendwann zu spät ist.
Wenn wir also dem Alarmsignal folgen und die unglaublich negativen Spannungen im Körper lösen, verhindern wir weiteren Verschleiß und der Körper kann sich wieder so bewegen, wie es die Natur vorgesehen hat!